Interview mit dem Sportdirektor - Mit Fleiß und Akribie

Bruno Hübner über Perspektiven und wirtschaftliche Notwendigkeiten

Seit Januar 2008 arbeitet Bruno Hübner als Sportdirektor beim MSV Duisburg. Vor wenigen Wochen übernahm der 49-Jährige zudem das Aufgabengebiet von Geschäftsführer Björn Bremer, der die Zebras verließ. In den vergangenen beiden Jahren konnte Hübner viele gute Spieler für den MSV verpflichten, aber auch einen Transferüberschuss von rund drei Millionen Euro erzielen. Das ist eine Menge in diesen Zeiten. Warum der plötzliche Verkauf von Sandro Wagner eine wirtschaftliche Notwendigkeit war und vieles mehr erklärte Hübner in einem ausführlichen Gespräch.

Fühlen Sie sich jetzt eigentlich ausgelastet, Herr Hübner?
Im Moment auf jeden Fall, das Aufgabengebiet ist ja entsprechend groß.

Seit Januar sind Sie nicht mehr nur Sportdirektor, sondern als Geschäftsführer zudem noch für die Finanzen verantwortlich. Ausgelastet müssten sie doch vorher schon gewesen sein?
Das ist schon eine erhebliche Mehrbelastung. Wir werden noch Überlegungen anstellen, ob wir im Bereich der Geschäftsführung jemanden dazunehmen. Für den Moment war es aber aufgrund der schnellen Entscheidung, die zu treffen war, die bestmögliche Lösung. Jetzt verschaffe ich mir eine Übersicht.

Wie gestalten Sie Ihre anspruchsvollen Arbeitstage?
Momentan muss ich mich splitten, bin auf der Geschäftsstelle im Stadion und auf dem Trainingsgelände in Meiderich. Wir haben allerdings ein eingespieltes Team mit Mitarbeitern, die sehr eigenständig arbeiten. Das ist eine Erleichterung.

Sie haben sich zuletzt mehrfach dadurch ausgezeichnet, kurz vor Schließung der Transferliste noch gute Fußballer für den MSV geholt zu haben. Sind Sie ein Verhandlungskünstler?
Ich denke schon, dass es eine meiner Stärken ist, Spieler zu motivieren, zum MSV Duisburg zu kommen. Das ist nicht so einfach, weil die Konkurrenz relativ groß ist und die finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind. Den Spielern muss eine Perspektive aufgezeigt werden. Wir haben große Ziele, die wir mit den neuen Spielern erreichen wollen. Und sollte es nicht klappen, haben die Zugänge die Gelegenheit, sich beim MSV für andere Vereine interessant zu machen. Beim Traditionsverein MSV mit unserem Stadion und unseren Fans etwas zu bewegen, ist eine Motivation. Der Sportdirektor entscheidet allerdings nicht alleine, welche Spieler geholt werden sollen. Das muss auch vom Trainer ausgehen. Ich versuche, dem Coach seine Wünsche zu erfüllen. Das muss ich natürlich im Rahmen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten bewegen.

Sie sind seit zwei Jahren beim MSV und konnten in dieser Zeit einen Transferüberschuss von rund drei Millionen Euro erzielen, die von Ihnen geholten starken Stürmer Makiadi, Kouemaha und Wagner sind aber alle schon wieder weg. Führen Sie beim MSV einen Kampf gegen Windmühlen?
Das kann ich nur bestätigen, es zermürbt einfach. Wir können eben nicht kontinuierlich einen Mosaikstein auf den anderen bauen. Dafür fehlen uns die finanziellen Möglichkeiten. Für die Spieler zählt in erster Linie das Geld und die Perspektive. Mir wäre es auch lieber, wenn wir Leistungsträger nicht verkaufen müssten, aber den wirtschaftlichen Zwängen muss ich mich auch unterordnen.

Der Wechsel von Sandro Wagner zu Werder Bremen wurde also rein aus wirtschaftlichen Gründen vollzogen?
Ja! Viele haben zwar gesagt, dass wir jetzt unser Tafelsilber verkaufen und dafür Reservespieler aus Bremen bekommen. Die Argumentation ist aber völlig falsch und deplatziert. Als wir Wagner geholt hatten, war er auch Bankdrücker und das sogar bei den Bayern-Amateuren. Es war keine einfache Entscheidung: Wagner hätte uns in dieser Saison nach seiner Verletzung wahrscheinlich nicht mehr zur Verfügung gestanden und wäre im Sommer nach seinem Vertragsende ohnehin gewechselt. So gesehen, war Wagner für uns totes Kapital und kein Silberbesteck. Wir haben noch etwas draus gemacht, und haben aus Bremen nicht nur Kevin Schindler bekommen. Bremen spielt Europa League und hat einen starken Kader. Da haben alle Profis von der Reservebank das Potenzial, uns weiter zu bringen. Wir müssen Werder dankbar sein, dass sie dieses Geschäft mitgemacht haben.

Wie wichtig ist der Aufstieg für den MSV in dieser Saison?
Durch jedes Jahr, in dem wir nicht aufsteigen, werden die Möglichkeiten geringer. Aber einen Aufstieg kann man nicht programmieren. In der 2. Liga gibt es zwischen acht und zehn Mannschaften, die aufsteigen wollen. Es muss optimal laufen, wir müssen einen Stein auf den anderen bauen. Manchmal muss man auch ins Risiko gehen. Ob das dann vom Verein so gewollt ist, ist die andere Geschichte. Nürnberg, Freiburg und Mainz sind vergangenes Jahr erheblich ins Minus gefahren, konnten dann aber aufsteigen und das Risiko hat sich rentiert. Mit unserem Etat liegen wir gegenüber unseren Mitkonkurrenten erheblich im Mittelfeld. Es heißt zwar, dass Geld keine Tore schießt, Qualität setzt sich am Ende aber durch.

Milan Sasic hat beim MSV schon einiges bewegt. Ist dieser Trainer ein Glücksfall für den MSV?
Ein Trainer wird ja oft aufgrund des Punktestands kurzfristig bewertet. Wir hatten genau abgewogen, dass es mit Milan Sasic ein harter Weg wird. Aber alle Verantwortlichen waren von vornherein der Überzeugung, dass es der richtige Weg ist.

Der Trainer wehrt sich gegen die Bezeichnung, ein harter Hund zu sein. Wie charakterisieren Sie ihn?
Milan Sasic ist ein fairer Trainer, der dem Spieler alles abverlangt. Und wenn der Spieler alles gibt, hat er den besten Freund in unserem Trainer. Was er nicht akzeptiert, ist Schluderei und verschwenderischer Umgang mit dem eigenen Talent oder fehlende Einstellung. Ich bin davon überzeugt, dass so ein Mann ideal nach Duisburg passt.

Die Verhandlungen mit Profis, deren Verträge im Sommer auslaufen, beginnen. Haben Tom Starke und Christian Tiffert höchste Priorität?
Ja, bei Starke und Tiffert hat sich klar herauskristallisiert, dass beide absolute Topspieler sind. Unser Wunsch ist es, beide zu halten. Natürlich ist Tom Starke auch bei anderen Vereinen im Fokus. Aber er weiß, was er am MSV Duisburg hat. Er wird mit Sicherheit zu keinem Bundesligisten gehen, bei dem er auf der Bank sitzt. Er will spielen und das ist eine gesunde Einstellung.

Über die Zukunft von Ivo Grlic wurde bereits spekuliert, dass er mal ins Sportmanagement einsteigen könnte. Ist er in seiner aktueller Form nicht wichtiger als Spieler - auch im nächsten Jahr?
Grille ist in einem Alter, in dem es schwerer wird. Ich möchte es aber auf jeden Fall erreichen, Spieler, die viel für den Verein gebracht haben, zu binden. Dafür müssen wir das Fundament schaffen. Es gibt ein Leben nach der aktiven Laufbahn. Grille muss sich nicht verrückt machen. Wenn er weiter gute Leistungen bringt, kann er ja jederzeit auf den Platz zurückkehren.

Mit Sven Theißen und Alon Abelski feierten zuletzt zwei Spieler aus der eigenen Jugend ihr Zweitliga-Debüt. Ist der MSV-Nachwuchs ist auf dem richtigen Weg?
Insgesamt ist der Juniorenbereich bei uns gut aufgestellt. Es ist für Jugendliche aber sehr schwer, aus dem Nachwuchsbereich direkt bei den Profis Fuß zu fassen. In der NRW-Liga sind sie unterfordert, für die 2. Liga reicht es vielleicht noch nicht. Vielleicht gibt es im Sommer die Möglichkeit, unsere jungen Spieler beispielsweise an Drittligisten auszuleihen. Natürlich wäre es gut, wenn die U23 in die Regionalliga aufsteigen würde, aber das ist auch wieder eine wirtschaftliche Frage. Das Potenzial ist da, es zu fördern ist aber ein Kraftakt.

Sie waren 20 Jahre in Wehen und jetzt schon zwei in Duisburg. Wenn sie noch weitere 18 Jahre beim MSV schaffen, haben sie die Rente durch. Ist das für sie vorstellbar?
20 Jahre möchte ich nicht mehr in diesem Beruf arbeiten. Für mich ist wichtig, erfolgreich zu sein, ich will nicht auf Dauer stagnieren. Meine Zukunft mache ich vom sportlichen Erfolg abhängig. Der MSV ist mir aber schon sehr ans Herz gewachsen, auch wenn der Weg steinig ist.

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